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Werner Adolar Falck

Wer war eigentlich Werner Adolar Falck?

Diese Frage beantwortet sehr lebendig nachfolgender Bericht eines hessischen Schachfreunds, der Adolar noch persönlich kennenlernen durfte:

Kennengelernt habe ich ihn, als ich mich entschloss nach einigen Jahren Pause wieder einem Schachverein beizutreten. Das war im Juni 1980, und der Schachverein in Oberursel hatte sich gerade wieder von einem Frankfurter Klub defusioniert und per Zeitungsanzeige, die ich damals mehr zufällig entdeckte, neue Mitglieder gesucht.

Kaum hatte ich den Saal betreten, indem die konstituierende Sitzung stattfinden sollte, trat auch schon eine stattliche, ältere Person an mich heran, Zigarre im Mundwinkel, etwas streng riechend, aber ansonsten eine sympatische Erscheinung: Werner Falck, und wie ich bald erfuhr, genannt Adolar.

Als bereits erwachsener Teenager, der ich damals noch war, wirkte der Alte zwar etwas befremdlich, weil sehr offen in seiner Art, aber er repräsentierte das genaue Gegenstück zu dem eher zurückhaltenden Rest, der ansonsten anwesend war; bloß nicht ansprechen!

Im Laufe der Jahre wurde Adolar zu einem festen Bezugspunkt für mich und meine Sichtweise auf das funktionelle Schach: er wusste einfach alles zu diesem Thema, und eine seiner Beschreibungen über sich selbst war: "Einige mögen den einen oder anderen Schachfunktionär wesentlich besser kennen als ich. Aber niemand kennt so viele von denen wie ich!" Und das stimmte genau so.

Auch war er eine wandelnde Suchmaschine, wenn es um Schach und Geschichte im Allgemeinen ging. Gerechterweise muss man sagen, das er auch genügend Zeit hatte, sich mit diesen Themen zu beschäftigen.

Werner war notorisch arbeitslos. Nicht das er faul war, aber er fühlte sich stets ausgebeutet und für ihn als das Beste, gar nicht erst in die Tretmühle des Arbeitsmarktes hineinzugeraten. Da es ohne Arbeiten nicht geht, früher noch sehr viel weniger als heute, hatte er aber eine Exit- Strategie stets vor Augen.

Dabei fing alles recht harmlos an: aus dem oberfränkischen Wunsiedel zog es ihn, der am 2.Juni 1937 dort geboren wurde und auch aufwuchs, in die große Stadt, nach Frankfurt am Main. Hier waren die Amerikaner, hier war Leben und es fehlte die Enge der elterlichen, wenngleich behüteten Umgebung.

Schach lernte er noch vom Vater, und schon früh notierte er Partien aus Wettkämpfen mit, kam also schon als Caissas Jünger in die Metropole. Seine erste schachliche Station war der Frankfurter Klub Schwarzweiß Eckenheim; einem Verein, den es lange schon nicht mehr gibt.

Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, von denen es in der City einige gab: so war er zum Beispiel Pin Boy in den fast auschließlich von US Soldaten besuchten Bowling Centern.

Stets versuchte er, Job und Schach miteinander zu vereinen, was später, als er als Wachmann arbeitete, bedeutete, das er während der nächtlichen Rundgänge diese eben etwas weiter ausdehnte und in den nahen Schachklubs auftauchte.

Anders als heute waren die Verbands- und Bezirksturniere die einzigen Wettkämpfe, die man besuchen konnte. Open waren in den sechziger und siebziger Jahren gänzlich unbekannt.

Und ein faszinierender Stern ging am Vereinshimmel auf: Königsspringer Frankfurt! Diese sogen alle stärkeren Spieler der Umgegend auf und der wohlhabende Mäzen des Klubs, Kurt Hechinger, hatte auch eine Anziehungskraft auf den stets finanziell etwas klammen, aber spielfreudigen Adolar. Bot sich ein neuer Spieler dem Klub an, und war er im Wesentlichen unbekannt, so ließ er ihn gegen Adolar in ein paar Schnellpartien antreten und eine Einschäzung über die Spielstärke vermitteln.

So kam er aber auch in Kontakt mit Funktionären, und seine guten Regelkenntnisse, die weit über das normale Mass hinausgingen, und ihn auch später den Rang eines Nationalen Schiedsrichters einbrachte, liessen die Herren aufhorchen. Dieses Wissen und seine Eloquenz brachten ihn bald auf die Schiene Turnierausschuss, wobei er stets der beratende, beeinflussende Teil dieses Gremiums war, das Schreiben überließ er anderen. Wenn man heute von einem Turnierausschuß- Vorsitzenden spricht, eine Funktion, die es so gar nicht gibt, dann geht das auf seine Persönlichkeit und seine Außenwirkung zurück.

Er war Mister Turnierausschuß, und ganz gleich ob Juristen gleich welchen Kalibers ihn im Gremium begleiteten, er war auch weil er eigentlich immer Zeit hatte und erreichbar war, der erste Ansprechpartner.

Dabei bestach er aber auch durch seine Überzeugungskraft, die ausgleichende Wirkung hatte, wenn die Wogen mal wieder hoch schlugen. Seine Interpretation von vorliegenden Protesten und deren Erfolgsaussichten ließen manchen Streitfall erst gar nicht eskalieren. War man sich uneins über Regelauslegungen, oder bestimmten Passagen in der Turnierordnung: Werner schaffte Klarheit.

Prägend für seinen beruflichen Werdegang, der eigentlich gar keiner war, ist die Geschichte eines nahen Verwandten. Dieser, ein Onkel meine ich, war in bestem Mannesalter und beamtenähnlicher Anstellung, als man ihm nach einer amtsärztlichen Untersuchung ein baldiges Ende offenbarte und mit den Worten in die Pensionszeit entließ: "Die paar Wochen, die der noch hat, kann er zu Hause bleiben!" Er überlebte die Offenbarung der Quacksalber noch fast fünf Jahrzehnte und starb mit etwa 90. Das prägte unseren Werner gewaltig und spornte ihn zu einer ähnlichen "Karriere" an.

Da er gesundheitlich angeschlagen war, u.a im Laufe seines Lebens fünf Herzinfarkte hatte, war ein ähnlicher Verlauf durchaus denkbar. Arbeitslos oder Krankgeschrieben waren seine Methoden, um sich Zeit für das Wesentliche zu schaffen: Schach!

Als es mit Königsspringer nicht mehr so lief, verschlug es Adolar schachlich nach Oberursel, wo die bekannten Heimatfest- Turniere ausgetragen wurden. Bis zu seinem Tode blieb er treues Mitglied, spielte stets in den Mannschaften mit; und war denn auch schon bald über zwanzig Jahre Teilnehmer an den Hessenmeisterschaften, und, über seine Funktion im Turnierausschuß, nicht unwesentlich beteiligt an der organisatorischen Vorbereitung.

1985 ehrte man ihn "inoffiziell" in Pfungstadt mit einer Standarte an seinem Spieltisch: "25 Jahre Adolar", und ein ähnliches Namensschild trug diesen Schriftzug. Offiziell war er Träger sämtlicher Ehrennadeln des Bezirkes und des Verbandes. Die posthume Auszeichnung mit dem Ehrenzeichen wurde ihm aber versagt.

Da anders als heute die HEM einen ganz anderen Stellenwert hatte, man musste einfach dabei sein, bis zu 400 Teilnehmer und mehr spielten mit, kannte auch jeder den kauzigen Typ mit fränkischem Zungenschlag aus Oberursel.

Eine seiner Domänen war das Schnellschach, wo er es zu einer gewissen Meisterschaft brachte und ein gefährlicher Gegner war. Leider gab es kaum Schnellschach- Meisterschaften, entweder Blitz, oder Langpartien. Er war mehrfach Einzelmeister in diesen Disziplinen auf Bezirksebene, einmal gar Frankfurter Stadtmeister. Einen Landestitel errang er dagegen nie. Auf seine Initiative geht aber die Einführung der Hessischen Schnellschachmeisterschaft zurück.

Noch bevor im Jahre 1990 die erste Deutsche Schnellschachmeisterschaft stattfand, gab es Planungen für die erste hessische Version im Sommer 1989.

Seine Leidenschaft aber war stets die hessische Einzelmeisterschaft, von der bis zu seinem Tode so gut wie keine Partie versäumte. Was nicht hieß, das er am Brett verwachsen war. Werner spielte "ökonomisches" Schach, das heißt, er teilte sich seine Kräfte ein. Seine Spielstärke reichte oft nicht, um wesentlich Stärkere zu schlagen, aber er verteidigte sich oft so geschickt, das es ebenfalls schwierig war, gegen ihn zu obsiegen.

Auf diese Weise ungeschlagen zu bleiben war für ihn ein sportlicher Anreiz, der schließlich zu einer Art Markenzeichen wurde: das Remisieren.

In den letzten Jahren seines Lebens baute er immer mehr ab, und war auch äußerlich vom Tode gezeichnet.

Bobby Fischer starb im Alter von 64 Jahren, was für einen Schachweltmeister kein schlechtes Alter ist. Wenngleich natürlich zu früh.

Werner Adolar Falck starb am 26.März 1989 in seiner Kalbacher Wohnung. Er wurde nur 51 Jahre alt. Es war Ostersonntag, und zwei Tage zuvor wurden am Karfreitag die Hessischen Einzelmeisterschaften im nur wenige Kilometer entfernten Steinbach beendet.

Werner war ebenfalls unter den Teilnehmern, und seine vorletzte Partie spielte er im Meistervorturnier gegen den Verbandsvorsitzenden Erich Böhme. Sie endete......Remis. Die nächste, und allerletzte Partie für ihn auf Erden verlor er; gegen einen übermächtigen Gegner.

Es war keine Frage, und eine schnell im Verbandsvorstand unter Ehrenmännern beschlossene Sache, die wenige Monate später stattfindende 1.Hessische Schnellschachmeisterschaft, und alle nachfolgenden, ihm zu Ehren zu veranstalten.

17 Jahre fand diese in Oberursel statt, weitere 3 Jahre in Frankfurt Kalbach. Wobei stets auch ein Ehrenpreis für den remisfreudigsten, erfolgreichsten Spieler ausgesetzt wurde. Ignoranz und auch Unwissenheit darüber ließen die Erinnerung aber verblassen.

Dabei handelte es sich überwiegend nur um eine gerahmte Notation inklusive einem typischen Konterfei des Namengebers von einer Partie, die Werner im Rahmen der Hessenmeisterschaften gegen den späteren Hessischen und dann auch Deutschen Meister Manfred Glienke aus Marburg spielte. Früh bot Werner Remis an, natürlich, doch Glienke lehnte ab und rechnete mit einem schnellen Sieg. Die Partie dauerte über drei Tage an, es wurden noch Hängepartien gespielt, und mündete über ein Damenendspiel, wobei ein Bauer noch auf dem Brett war und ab und zu zog, nach über 150 Zügen und einer nicht bemerkten Zugwiederholung zuvor, mit ......Remis!

Bericht und Fotos: Hans D Post, schach-chroniken.net, 16.Februar 2012

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